Montag, 30. Dezember 2013

Am Rand - Das kleine Serienlexikon: Girls

Angesichts der ausufernden Themenvielfalt, die das World Wide Web und jetzt auch das Web 2.0 (Social Media etc.) bieten, ist es doch verwunderlich, welches Bild uns das Fernsehen über Frauen vermitteln möchte. War es noch vor kurzem Gang und Gäbe toughe, selbstbestimmte (aber natürlich wunderschöne Mädchen) durch den Serienalltag schlendern oder vielmehr hasten zu sehen, so sind es heute mehr und mehr die klassischen Rollenbilder, die Frauen im TV-Abbild des (wirtschafts-)krisengeschüttelten Millenium verkörpern.
Sicher, diese konservativen Frauenfiguren gab und gibt es schon lange, nur nehmen die ernstzunehmenden, unabhängigen Frauentypen mehr und mehr ab. Als Beispiel kann hier die Serie "Desperate Housewives" gelten, deren Titel seit acht Staffeln Programm ist und ausschließlich Frauen zeigt, die in irgendeiner Weise von Männern abhängig sind. Ähnlich geht es auch bei der hier schon beschriebenen, achso-modernen Serie "True Blood" zu, deren Hauptfigur von einer Abhängigkeitssituation in die nächste schlittert.
Wenn man sich im Kontrast dazu harmlose Serien aus den Achtigzer oder Neunziger Jahren wie "The Nanny" oder "Who´s the Boss" anschaut, begegnet man hier zwar auch einen traditionellen Lebensziel hinterherhechelnden Frauen. Sie haben aber im Unterschied dazu keine Probleme, sich gegen ihre männlichen Konterparts durchzusetzen und ihren Willen zu bekommen. Die erfolgreiche, alleinerziehende Angela (Judith Light) holt sich den feschen Ex-Sportler und auch alleinerziehenden Vater Tony Danza als Putzhilfe ins Haus und gründet so eine der erfolgreichsten Patchworkfamilien der TV-Geschichte. Fran Fine hat auch als Nanny von den drei verzogenen Gören des reichen Maxwell Sheffield genaue Vorstellungen vom Leben und lässt sich von dem mehr als unterkühlten Boss nicht von ihrem Träumen (ihn einmal zu heiraten) unterkriegen.
Diese Reihe könnte man beliebig fortsetzen. Krönung der weiblichen Dominanz im TV war die 1998-2004 ausgestrahlte Serie "Sex and the City" in der sich vier Frauen, frank und frei über die intimsten Bereiche des Frauseins auslassen dürfen ohne dabei als Moralaposteln oder gar "Emanzen" dazustehen.
In dieser Tradition sieht sich auch Lena Dunham, Erfinderin und Hauptdarstellerin der HBO-Serie "Girls". Auch hier geht es um vier junge Frauen in New York, die auf der Suche nach ihrem individuellen Glück sind. Doch dieses Glück zeigt sich ganz anders als bei "Sex and the City" nicht (unbedingt) an Dingen wie Karriere oder Familienplanung, sondern in relativ konservativen Lebensstrategien. Die Protagonistin Hannah (Dunham) begibt sich beispielsweise in mehr als fragwürdige Affairen, um ihre Karriere als Autorin anzutreiben. Shoshanna (Zoisia Mamet), ein blitzgescheites, etwas flappsiges Mädchen versucht um jeden Preis ihre "Unschuld" zu verlieren, um ihren Traum zu verwirklichen, ein Leben wie in "Sex and the City" zu führen. Marnie (Allison Williams) mag es gar nicht, wenn ihr Leben nicht in geordneten Bahnen verläuft und legt viel Wert auf Geld, Karriere und gutes Aussehen. Nur Jessa (Jemima Kirk) scheint eine "freie Seele" zu sein, sie experimentiert lustlos mit diversen Lebensszenarien herum, wobei sie immer mehr mit dem herkömmlichen Lebensbildern kokettiert.

Es scheint, als könne man heute seine Hippie-Eltern nur noch durch äußerst konservative Ansichten schockieren. Und schockieren das will Lena Dunham auf jeden Fall. Denn trotz der unterschwellig konservativen Haltungen, wird kein Blatt vor den Mund genommen und man bekommt (nicht immer willentlich) viel nackte Haut zu sehen.
Nun kann man nicht zu unrecht argumentieren, dass die Serie immer auch Abbild der derzeitigen post-sozialen, globalisierten Gesellschaft ist. Und ja, wir leben in einer Welt in der das Leben zu meistern schwieriger als noch vor zehn Jahren war. Kreative Jobs sind immer weniger gefragt, viele müssen sich mit prekären Arbeitsverhältnissen begnügen. Das betrifft sowohl Frauen als auch Männer, deren Macho-Image in den letzten Jahren immer mehr einbüßen musste (man vergleiche einen Tony Danza von "Who´s the Boss" oder Jesse Katsopolis von "Full House" mit Figuren wie Charlie Harper von "Two and a Half Men" oder Barnie Stinson in "How I Met Your Mother").
Doch gerade die Männer in "Girls" sind mitunter die interessanteren Charaktere. Zuallererst wäre der etwas zwielichtige, aber gleichzeitig liebenswürdige Adam (Adam Driver), der sein Komparatistik-Studium abbricht, um mühevoll Skulpturen zu entwerfen, die keiner sehen will. Er lebt in den Tag hinein und lässt sich so schnell von niemandem drein reden. Auch Charlie (Christophe Abott), Marnies Freund, ist kein gewöhnlicher Loser-Typ, der sich von seiner herrischen Freundin herumkommandieren lässt, sondern gleichzeitig ein cooler Rockertyp, der sich seiner Gefühle als einziger sicher zu sein scheint.
Die Faszination der Serie wird eindeutig durch die lyrischen Dialoge der Protagonisten beeinflusst. Lena Dunham versteht es, besser als ihrer schriftstellerisch ambitionierten Protagonistin, den Figuren gleichzeitig verstörende, lustige und punktgenaue Sätze in den Mund zu legen.
Hier noch ein typisches Adam-Zitat zum Abschluss, das das Verhältnis von Mann und Frau nicht nur in dieser Serie ziemlich genau trifft:

You never ask me anything, besides "Does this feel okay?" or "Do you like my skirt?" or "How much is your rent?"
I'm not gonna f***ing talk your ear off about sh*t you don't ask about. You don't wanna know me. You wanna come over in the night and have me f*** the dog sh*t out of you, then you wanna leave and write about it in your diary. You don't wanna KNOW me...

Fortsetzung folgt...

Die US-amerikanische Serie "Girls" läuft bei HBO ab 2014 schon in der dritten Staffel. Sie wird von Lena Dunham und Judd Aptow ("Anchorman", "Superbad", "Bridesmaids") produziert.