Freitag, 14. September 2012

Am Rand - das kleine Serienlexikon: Merlin

Auf den ersten Blick passen Mythen und Legenden einer längst vergangenen Ära und das schnelle und oberflächliche Fernsehformat Serie nicht wirklich zusammen. Doch wenn man genauer hinschaut merkt man, dass beide einer ähnlichen Form folgen, sie müssen wieder und wieder erzählt werden. Das in diesem Blog viel besprochene Gesetz der Serialität begründet sich auf der mündlichen Tradition des Erzählens.
Eines dieser Mythen, eine Art Gründungsgeschichte des mittelalterlichen Englands ist die Legende des weisen Magiers Merlin, der zusammen mit König Arthur und dessen Tafelrunde das zerstrittene Land vereinte. Dieser Mythos ist fest verankert in der englischen Tradition und der künstlerische Umgang mit ihm reißt dort wie auch überall sonst nicht ab.
Eine ganz anderer und wesentlich jüngerer Stoff, aber durchaus wichtig für die Geschichte der Fernsehserie, ist die Coming-of-Age-Story, die sicherlich auch in älteren Stoffen begründet ist. Teeniefilme und -serien wurde jedoch besonders in den 80er und 90er Jahren des letzten Jahrhunderts populär, wo sie wie aus dem Boden geschossen schienen. Eine Serie nach der anderen wurde zum Publikumsliebling, sodass der Stoff (junger Mensch muss mit Problemen in Schule und Familie klar kommen und sich zum ersten Mal verlieben) nicht mehr ausreichte. Man beschloss, neue Stoffe aufzuschließen, um diese Story (die an sich viel Erzählstoff bieten kann), in einem neuen Gewand zu kleiden.
Serien wie Roswell (der damalig neue Trend: Alienthema + Teniedrama) oder Buffy (Vampire und Gruselgestalten meets Nerds und Cheerleader) erfüllten diese neue Aufgabe mal mehr und mal weniger gut. Schon in diesen Serien fixierte man sich auf einen neuen Trend, die Figur des oder der Helden/ Heldin. Man suchte nicht nur im Fernsehen nach Heldenfiguren und fand v.a. im Comicbereich neue Film- und Fernsehprotagonisten. Alten Helden der Kinderzeit wie Spiderman oder Batman fanden neue Geschichten im neuen Medium. Eine Kombination aus Teenieserie und Heldenfigur schien bloß noch eine Frage der Zeit. Als erstes setzte das amerikanische Fernsehen auf eine Art Prequel des Superman-Stoffs. Mit "Smallville" fing eine Welle von neuen (Super-) Helden an, das Fernsehen zu bevölkern.
Großbrittanien zog nach und lieferte uns eine ganz anderen Helden: Merlin. Merlin, nicht als alter, weiser Mann mit langem Bart und Kutte, sondern als Teenager, der nach Camelot kommt und seine Magie verbergen muss. Der von Colin Morgan portraitierte Magier muss sich mit allerlei fantastischem auseinander setzen, aber auch mit der Frage, wie man einen zukünftigen König Arthur (Bradley James) mögen kann, der eingebildet und herablassend zu anderen ist, dessen Vater ein Magie hassender Tyrann (der großartige Anthony Head) ist und wie man einen riesigen Drachen unter dem Schloss geheim hält.
Die zuerst seltsam anmutende Kombination dieser beiden Komponenten geht auf. Hier geht es auch um eine gesunde Einstellung zum Mythos, der sich nicht an Quellen klammert oder historisch sowieso nicht nachvollziehbare Wahrheiten verkaufen will. Hier wird an einer großen Geschichte weitererzählt, die Legende verspielt anders erzählt, ohne dabei den Kern der Geschichte aus den Augen zu verlieren.
Die Serie lebt von ihrem Hauptdarsteller, der merklich in die Rolle reinwächst und nach anfänglich albernen Teenagergehabe spätestens im Laufe der zweiten Staffel angekommen zu sein scheint. Der etwas blasse Bradley James als Arthur stellt mit seiner schroffen Art ein gutes Pendant zu Merlin. Er schafft es wie kein anderer das ein oder andere Mal (sehr männlich!) in Ohnmacht zu fallen und von Merlin gerettet zu werden ohne seinen Stolz zu verlieren. Auch die weiteren Figuren mit den berühmten Namen bekommen neue Facetten: so ist Morgana (Katie MacGrath) eine Lady an König Uthers Hof und Guinevere (Angel Coulby) ihre Zofe. Doch die Legende, wäre nichts ohne ihre einzelnen Komponenten und so sehen wir im Laufe der Geschichte natürlich Tafelritter, Excalibur und den Drachen, auch wenn in vielleicht etwas abgeänderter Form.
Alles in allem ist die Serie sehenswert, mal abgesehen von den etwas altmodisch wirkenden Spezialeffekten. Wollen wir nur hoffen, dass die Teenager im Fernsehen alle so schnell erwachsen werden wie Merlin und Arthur! ;-)
Fortsetzung folgt...


Die von BBC One produzierte Serie hat bisher auf vier Staffeln geschafft, eine Fünfte startet im Herbst und wir hoffen immer noch auf den ultimativen Merlin-Arthur-Moment (es gab ja schon einige)...