Montag, 25. Juni 2012

Am Rand - Das kleine Serienlexikon: Sherlock

Das Faszinierende und immer Aktuelle am nun schon über hundert Jahre alten Holmes-Stoff sind nicht so sehr die interessanten Kriminalfälle und auch nicht, wie man zunächst denken mag, die Figuren Sir Arthur Conan Doyles, Holmes und Watson, und ihr Zusammenspiel als vielmehr das dahinter liegende Spannungsverhältnis vom großen Ganzen und dem klitzekleinsten (De-)Teil. Sherlock Holmes ist eine der wenigen literarischen Figuren, die gleichzeitig (natur-) wissenschaftlich und kreativ denken. Denn nur durch seine außergewöhnliche Fähigkeit, winzige Details durch empirische Studien mit Hilfe eines an Genie erinnernden Bachgefühl zu einem vollständigen Bild zusammenzuführen, wird er zu dieser Einzelfigur der Weltliteratur.
Für die Engländer ist Holmes längst zu einem Teil ihrer kulturellen Identität avanciert. Steht er doch für den zurückhaltenden, Pfeife rauchenden Engländer der letzten Jahrhundertwende. Der Stoff wurde schon etliche Male verfilmt (zuletzt entstand die abgrundtief schlechte Umsetzung von Guy Richie mit Robert Downey Jn. und Jude Law) und doch tut es der unentwegten Neuauflage der Bücher keinen Abruf.
Die Verfilmung, auf die hier eingegangen wird, ist die Serie "Sherlock", die dem alten Stoff ein neues Aussehen verleiht ohne aber die Essenz der Texte zu missverstehen. Sherlock (Traumbesetzung Benedict Cumberbatch) und Watson (der aus "The Hitchhiker´s Guide to the Galaxy" bekannte Martin Freeman) leben in der Jetztzeit und lösen ihre Fälle innerhalb einer vom Terrorismus und Finanzkartellen bedrohten Welt, in der es nicht mehr viele Männer wie diese zu geben scheint.

Der traumatisierte John Watson und der vielleicht etwas einsame Sherlock Holmes sind ein wundersames Duo. Nicht viele Verfilmungen konnte diesem ungleichen Gespann gerecht werden. In der von den Machern der Neuauflage von Doctor Who (Stephen Moffat und Mark Gatiss) inszenierten Fernsehserie verstehen wir wenigstens annähernd, warum sich Watson auf den nicht nur manchmal anstrengenden Holmes einlässt und warum dieser dessen Anwesenheit trotz Watson angeblicher "Dummheit" zu schätzen weiß: Die beiden verbindet von Anfang an eine Freundschaft, die zwar keineswegs intellektuell auf gleicher Höhe, aber zumindest auf zwischenmenschlicher Ebene ausgewogen scheint. Watson, so scheint es, zieht aus den Begegnungen mit Holmes einen Nervenkitzel, den der sonst zur Mittelmäßigkeit neigende Allgemeinarzt trotz Militärvergangenheit wie einer Manie sucht. Und Sherlock sieht in Watson einen Anker in der Alltagsrealität, ohne den er trotz allen Geniestreichen nie ganz beikommen kann. Glaubt man manchmal, die Beziehung der beiden beruhe auf einem Herr-Diener-Verhältnis, wird der Zuschauer immer wieder von dem sensiblen Watson überrascht, der brenzlige Situationen entschärft und sich trotz deutlich kleinerem IQ nicht so einfach um den Finger wickeln lässt.

Weils so schön war, hier ein kurzer Ausschnitt aus der ersten Folge der Serie "A Study in Pink":
Fortsetzung folgt...

"Sherlock" ist eine Produktion der BBC. Bisher wurden zwei Staffeln mit drei eineinhalbstündigen Folgen ausgestrahlt. Aufgrund der weiteren Tätigkeiten der beiden Haupt Darsteller, Benedict Cumberbatch spielt den Bösewicht im zweiten Teil der Neuauflage von "Star Trek" und Martin Freeman spielt die Hauptrolle des Bilbo Beutlins in Peter Jackson "The Hobbit", wird die dreitte Staffel erst  2013 gedreht.