Montag, 22. August 2011

Die Zicken-Reform

Ist euch das auch schon aufgefallen? In den hunderten Teenie-Serien (und auch -filmen) gibt so gut wie immer eine Zicke, die den Hauptdarstellern das Leben schwer macht.
Neben den durchwegs positiven Hauptcharakteren (gut, sie haben ihre Fehler) steht sie für einen extravaganten Lebensstil. Sie kann sich so gut wie alles erlauben und hat durch ihre höher gestellte Position weniger Regeln, denen sie sich unterwerfen muss, als andere. 
Im Grunde die Rolle der Zicke in der TV-Serie der 90´er und 00´er Jahre eine erstrebenswerte Position: sie hat viele Freunde, ist beliebt, kann übermäßig konsumieren und ist von ihren Eltern oft unabhängig. Das einzige (zugegeben relativ hohe) Konfliktpotetial liegt im Neid der anderen.
Hier ein paar Beispiele:



Fangen wir mit einem Film an, der später mehr oder weniger erfolgreich zur Fernsehserie anvancierte: die romantische Komödie "Clueless" von 1995 mit Alicia Silverstone in der Hauptrolle. Sie spielt Cher, eine oberflächliche High School Schülerin, deren größtes Problem das Auswählen der richtigen Kleidung für die Schule und die richtige Abgrenzung zu den anderen Schülern ist.
Cher ist sozusagen die Mutter der TV-Zicken: wenn man diesen Film sieht, kann man Prototyp dieser Rolle erkennen. Sie hat durch ihren Konsumfetischismus und ihrem zwanghaften Hang zur Selbstdarstellung Mittelpunkt der Schule. Ihre Freunde empfindet sie als bloße Staffage in ihrer eigenen, neonbunten Plastikwelt. Andere sollen so sein wie sie. Im Film wird gezeigt, wie ein anderer Highschool-Stereotyp die "Neue", noch nicht stark in Kategorien geprägte in eine Zicke wie Cher umgewandelt werden soll. Er zeigt aber auch die Auseinandersetzung mit diesem Status und die Hinterfragung des eigenen Werts, wenn sich das ganze Leben nur um sich selbst dreht und man dadurch anderen weh tut. Somit ist Cher auch eine der bekanntesten "reformierten Zicken" auf die noch einige folgen werden.
Eine der meiner Meinung nach am besten refomierten TV-Zicken ist die von Charisma Carpenter gespielte Cordelia Chase in " Buffy - The Vampire Slayer" und "Angel":
Cordy ist am Anfang von "Buffy" die klassische Serien-Zicke: nachdem Buffy sie verschmäht und lieber mit den "Losern" Willow und Xander zu tun hat, macht sie den drei das Leben schwer. Sie ist Cheerleaderin, beliebt bei allen und hat besonders reiche Eltern, die ihr, wie es scheint, unbegrenzt Geld zustecken und sie andererseits durch keinerlei Regeln einschränken. 
Da der Charakter der Cordelia im "Buffyversum" jedoch ausgebaut wurde, verändert sie sich im Laufe der Staffeln rapide: sie nähert sich der Gruppe um Buffy, v.a. Xander an, hilft ihnen bei der Dämonenjagd und folgt später Angel nach Los Angeles und ist fortan in dessen Serie Hauptdarstellerin. Durch den plötzlichen Ruin auf eigene Beine gestellt und als erfolglose Schauspielerin am Boden der Tatsachen angekommen, nimmt sie sich der Hilfe suchenden in angels Dektei an und entdeckt ihre soziale Ader.
Eine weniger gelungene "Reformierung" der TV-Zicke ist Josh Schwartz in seiner sehr beliebten Serie "The O.C." (dt. "O.C., California") gelungen. Die von Autum Reeser gespielte Taylor Townsend durchlebt in nur drei Staffeln eine 180 Grad-Wendung.
Taylor wurde in der Serie als Nebendarstellerin in der dritten Staffel als Konkurrentin von Marissa und später auch Summer eingeführt. Auch sie hat die Zügel der Schule fest im Griff, veranstaltet so gut wie alle "Events" der Schule und ist die Intelligenteste der Abschlussklasse. Durch den Tod Marissas wird sie in der letzten Staffel zu einer positiveren Hauptdarstellerin ausgebaut und einem "Love-Interest" für den zurückhaltenderen Ryan.
Gut gelungen ist Schwartz allerdings die Emtwicklung einer anderen Figur seiner Serie "Gossip Girl", die allerdings so gut wie alle weiblichen (und z.T. auch männlichen Figuren!) Zicken sind: gemeint ist die von Leighton Meester verkörperte Blair Waldorf in der Serie "Gossip Girl":

Die Figur Blair ist durch ihren Hauptrollen-Charakter von Anfang an eher komplexer aufgebaut als die t.w. oben erwähnten. So verändert sich ihr Umgang mit einigen ihr "unterlegenen" Figuren innerhalb der Clique, ihre Sicht auf die Welt (à la "ich mach sie mir, wie sie mir gefällt") wird dadurch aber kaum beeinflusst. Ihr Wunder Punkt ist, wie so oft, die Liebe, in der sie durchwegs an die falschen Männer gerät. Nur einer kann ihr in Punkto Intregieren das Wasser reichen: der ebenso abgebrühte wie charmante Chuck Bath, der seine hungrigen jedoch nicht lange auf Blair gerichtet halten kann.
Eine völlig andere, zuweilen gerade deswegen sympathische Zicke ist die von Liza Weil gespielte Paris Gellar in "Gilmore Girls":

Paris ist zwar nicht übermäßig beliebt, hat aber trotzdem die Zügel der Schule in er Hand und kann vor allem durch ihren Schneid und ihre Intelligenz punkten, weswegen sie die intelligente, aber schüchterne Rory Gilmore als willkommenes Opfer für ihre Intrigen gebraucht. Doch auch Paris ist eine der vielen skurrilen Persönlichkeiten der Serie, die sie so liebenwert machen: sie lebt ihr Leben ganz nach ihrer eigenen Auffassung, je nach Tagesverfassung mag sie Rory oder hasst sie abgrundtief. Aus fast allem macht sie einen Wettkampf zwischen den beiden, was die konfliktscheue Rory jedoch zumeist geschickt umgehen muss, um die hitzige Paris im Zaum zu halten. In den späteren Folgen beruhigt sich die Bezihung zwischen den beiden jedoch und sie bezeichnet Rory als ihre beste Freundin (dieser allerdings umgekehrt nie).
Man könnte diese Liste noch eine Weile fortsetzen. Fakt ist, der Zuschauer ist in der heutigen, auf Äußerlichkeiten aufgebauten Welt fasziniert von diesen Charakteren, deren Energie die Dinge zu tun, die sie möchten ohne deren Konsequenzen zu bedenken und ihren merkwürdigen Einfluss auf alle anderen. So könnte man fasst glauben, dass so manche dieser vorgespielten Rollenmodelle einer emanzipierten Frau entsprechen. Auch sie sind mehr oder weniger unanhängig von Männern (abgesehen mal von ihren Vätern) und kommen früh allein zurecht, sie haben einen großen Bewegungskreis und haben Einfluss auf die Gesellschaft. Allerdings werden sie in den Serien, da sie ja meist die negativen Figuren darstellen mit als Mitglieder einer ungerechten Hierarchie dargestellt, die davon lebt, andere auszunutzen oder zu erniedrigen. In den moralischen Anschauungen der Fernsehmacher in den USA soll an ihnen der (christliche) Gedanke der Todsünden (z.B. Hochmut, Geiz, Zorn, Neid) aufgezeigt werden. An diesen negativen Beispielen sollen die zumeist Jugendlichen Zuseher lernen, ihre Gefühle zu zügeln, Regeln zu befolgen und zuerst andere zu denken etc.
Dass diese Frauen jedoch mittlerweile Vorbildfunktionen auch im Blick auf ihren Konsumfetischismus haben, zeigt ein Blick auf die Fans der Serie "Gossip Girls". Die einzelnen Folgen gleichen (wie einst in der Erwachsenen-Serie "Sex and the City") einem quirligen Catwalk, auf dem man die Mädchen irgendwo in Manhattan einkaufen sieht. So platzieren immer mehr Designer ihre Ware in dieser Serie, um so ein Millionen umpannendes Publikum zu erreichen. Die Figur der reichen Zicke funktioniert hier als ideale Werbefläche, da ihre liebste Beschäftigung ja das Einkaufen ist und sie in jeder Szene andere Kleidung trägt. Ein positives, unanhäniges Rollenbild wird hier nur schwer vermittelt, da die Frauen ihre Kleidung wiederum als dazu nutzen, um anderen ein Bild von sich zu vermitteln, das Neid und Unterwerfung zur Folge haben soll. Freier Wille herrscht hier nur nach außen hin. Folgt man der Serie ein paar Folgen lang, wird klar, welchen Regeln sich auch diese finanziell mehr oder weniger unabhängigen Frauen zu unterwerfen haben: So muss sich die sich sonst so konservativ kleidende Blair bei ihrem Besuch einer öffentlichen Universität der hiesigen Kleidungsart anpassen und nach außen hin deren (liberaleren) Ansichten zustimmen, während der aus ärmeren Verhältnissen stammende Dan sich auf High-Society-Dinners mit Hemd und Krawatte auftreten muss.
Die Zicke ist ein zeitlich sehr aktuelles Phänomen, dass sich immer mehr vom Fernseher in unser aller Leben hineinzieht. So propagieren Reality-Formate die Figur des "It-Girls", das ähnlich wie die Zicke nach Aufmerksamkeit heischt und durch die Vermarktung ihrer Persönlichkeit allein Geld machen kann, ohne dabei tatsächliche Berufe ausübern zu müssen. Ein berühmtes Beispiel ist die Hotelerbin Paris Hilton, die sich längst nicht mehr auf ihrem Erbe ausruhen müsste und für viele junge Amerikanerinnen eine Vorbildfunktion übernommen hat.
Zum Abschluss noch ein Video einer wie ich finde klassischen TV-Zicke, die stark an eben jene It-Girls angelehnt ist, die von Ashley Tinsdale gespielte Sharpay aus den High School-Musical-Filmen:


Fortsetzung folgt...