Schon seit der Kinderzeit liebte ich die Serie. Noch bevor ich fernsah oder lesen konnte faszinierten mich die Geschichten, die ich jeden Abend von meinen Eltern vorgelesen bekam: Die Hausmärchen der Brüder Grimm, Tausend und eine Nacht, die Märchen von Hauff und Andersen. Sie entführten mich andere Welten und durch ihre Wiederholung an einer bestimmten Zeit an einem bestimmten (sicheren und geborgenen) Ort wurden sie fast magisch.
Die Serie ist für uns alle omnipräsent. Wir alle haben bestimmte Angewohnheiten, seien es jährliche Rituale, monatliche Treffen oder tägliche Handgriffe. Wir halten sie nicht immer ein, aber sie sind Fixpunkte in unserem Leben. Denn die Einhaltung eines sich wiederholenden Rituals verspricht immer die Fortsetzung und damit die Vorfreude auf ein weiteres Teil der Serie.
Wie im Leben, so ist auch in der Kunst zwischen der offenen und der geschlossenen Serie zu unterscheiden (obwohl die Serie an sich immer auch eine Offenheit suggeriert). Gerade in der erzählenden Kunst kann diese Unterscheidung oft zu einem Problem werden: Der Abschluss einer offenen Serie ist per se nicht durchführbar, da diese von Anfang daraufhin ausgelegt ist. Das Paradoxe ist nämlich, dass jede noch so offen angelegte Serie einmal enden muss. Auch in der Serienwelt gibt es ein Gedeihen und Vergehen. Eine geschlossene Serie (mit einem von vorherein intendiertem Ende im Stile einer „Telenovela“ beispielsweise) hat dagegen das Problem, nicht genug erzählen zu können und alle „Erzählfäden“ zusammen kommen zu lassen.
Serien spielen mit unserer Neugierde. Die meisten serial angelegten Romanreihen und Fernsehserien arbeiten mit dem Fortsetzungselement. An das Ende des einzelnen Seriensegments wird ein sogenannter „Teaser“ gesetzt, der auf das nächste Segment neugierig machen soll. Solche Teaser sind oft dramatisch oder mehrdeutig, sodass der Zuseher/ Leser der Serie treu bleibt. In kaum einem anderen Erzählrahmen wird so stark auf die Rezipienten hingearbeitet wie bei ihr. Gerade im heutigen TV-Serienbusiness haben Zuschauerzahlen und -meinungen so viel Einfluss, dass sie über den Inhalt und Weitergang der Serie entscheiden. Beispielsweise wurden in den letzten Jahren durch die Abnahme der Zuseherzahlen im amerikanischen Fernsehen derartig viele neue TV-Serien abgesetzt, dass man kaum noch von einem Fernsehgenuss sprechen konnte. Umfragen ergaben, dass der typische Serienzuseher der werberelevanten Zielgruppe seine Sehgewohnheiten veränderte: statt jede Woche eine neue Folge seiner Lieblingsserie abzuwarten, schaue er nun lieber eine oder mehrere Folgen auf DVD in seinem eigenen Zeitrahmen, ohne Werbeunterbrechungen und unabhängig von der Programmwillkür der Sender.
In unserer multimedialen Zeit wird auch die Serialität immer unkontrollierbarer. Der Trend geht immer mehr hin zur individuellen Gestaltung des Fernsehprogramms und darauf müssen die Sender nun reagieren. Seit einiger Zeit gibt es deswegen eine Flut von mehr oder minder gut gemachten DVD-Boxen für TV-Serien, auf denen neben den einzelnen Folgen der jeweiligen Staffel auch Extra-Features wie Audio-Kommentare, Making-Ofs oder Trailer für andere Staffeln oder Serien enthalten sind.
Das ältere Medium Buch hat weniger mit diesen Problemen zu kämpfen, obwohl es auch hier einen Trend zur Digitalisierung (E-Books etc.) gibt. Serialität gibt es hier schon lange, ist sie doch eine der ältesten Formen von Erzählen überhaupt. Geschichten wurden von Mensch zu Mensch weiter gegeben und –erzählt. Man könnte sagen, dass die Serie schon immer Bestandteil der Erzählung ist. So wie das Leben, wird auch der Erzählstoff unendlich weiter geschrieben.
Auch der tatsächliche Stoff der Serie hat sich bis heute kaum verändert. Das Verbrechen, die Missachtung von Moral und Ethik war schon immer ein Stoff von großer Aufmerksamkeit (manche behaupten sogar, dass die Geschichte von Adam und Eva der erste Kriminalfall der Geschichte war). So ist es heute nicht besonders merkwürdig, dass sich die Serie in beiden Medien zu einem nicht unbescheidenen Teil dem Kriminalfall widmet.
Irgendwo habe ich einmal gehört, dass die Faszination Serienmordes an die Form der Serie selbst erinnert: Das Setting variiert, aber die Struktur bleibt die gleiche. Und da wären wir auch schon bei einer wichtigen Komponente der Serie: ihre regelhafte Struktur. Denn wenn man etwas als Serie erkennen will, muss man ein bestimmtes strukturales Regelwerk erschaffen, bestimmte äußerliche und inhaltliche Mittel, die Zugehörigkeit demonstrieren. Beispielsweise hat ein Detektivroman als Fixpunkt Detektiv X., der die verschiedenen individuellen Fälle lösen muss, oder ein Arztserie als Setting das Krankenhaus und als Personal Ärzte und Patienten. Diese Strukturen können sehr streng sein (Zeit, Raum, Personen) oder nur an ein kleines Merkmal gebunden sein (die verschiedenen Erlebnisse von Person Y.). Wie schon angedeutet können für die Etablierung dieser Regelwerke bestimmte Genrezugehörigkeiten dazu anreizen, das Regelwerk als gegeben hinzunehmen.
Gute Serienschreiber sehen sich allerdings dazu veranlasst, mit den Genreerwartungen zu spielen und „grundlegende“ Regeln zu brechen. So kann man beispielsweise in der Serie „Buffy – The Vampir Slayer“ den Tod der Protagonistin verfolgen, obwohl die Serie für weitere Staffeln freigegeben wurde, oder man sieht die Detektivfigur Dexter in der gleichnamigen Serien selbst einen Mord begehen. Kurz: Regeln sind dazu da, um gebrochen zu werden. Was jedoch nicht heißt, dass sie nicht gebraucht werden.
In diesem Blog soll es nun darum gehen, die Serialität in unserer Gegenwart aufzuspüren und mit Hilfe von Serien einen bestimmten Blick auf die Welt einzufangen. Serien sind Teil unseres Lebens und spiegeln es gleichzeitig wieder, sie sind zeitgemäß und universell. Und am Ende sind sie auch einfach nur ´ne Menge Spaß!
Fortsetzung folgt…